KLASSIK ONLINE, Sauer Vol.3

KLASSIK ONLINE
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October 9, 2000

Sauer, Emil von: Propos de Bal

Der Titel Propos de Bal (Liebeswerben im Ballsaal) läßt einen an das musikalische Pedant zu klebrigen jungen Kadetten denken, die naive heiratswillige Fräuleins aus gutem Hause mit schönen Worten herumzukriegen versuchen, um später in der Kaserne mit ihren Errungenschaften zu prahlen. Sieht man sich die Fotografie Emil von Sauers im Booklet an, beschleichen einen erste Zweifel: Da blickt den Betrachter nämlich ein ernsthafter junger Mann mit intelligenten, durchdringenden Augen an. Hört man daraufhin in die CD hinein, schämt man sich sogleich, dem Schüler von Anton Rubinstein und Franz Liszt soetwas unterstellt zu haben. Gleich darauf drängt sich die nächste Frage auf: Warum ist der 1942 verstorbene Pianist mit Komponistenambitionen so unbekannt? Das hat der Mann mit seinen temperamentvollen, fröhlichen und leichtfüßigen Kompositionen nicht verdient.

Emil Georg Cornad Sauer wurde am 8. Oktober 1863 in Hamburg geboren. Seine Mutter erteilte ihm den ersten Klavierunterricht, den er vierzehnjährig bei Anton Rubinstein fortsetzte. Dieser empfahl ihn nach Moskau, wo er bis 1881 blieb. Drei Jahre später ermöglichte ihm die Prinzessin von Sayn-Wittgenstein bei Franz Liszt vorzuspielen, der ihn als Schüler annahm. Als Klaviervirtuose berühmt und beliebt erhielt er viele Auszeichnungen und Ehrungen, so z.B. die Ehrenritterschaft der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Seine kompositorischen Arbeiten wurden geschätzt aber nicht berühmt.

Der russische Pianist Oleg Marshev mit Wohnsitz in Italien hat für das Label Danacord schon vier CDs mit Kompositionen von Emil von Sauer aufgenommen. Sein lebhaftes aber stets elegantes Spiels macht ihm zu einem hervorragend geeigneten Interpreten dieser Musik. Abgesehen davon sind beide Musiker in ihrer Jugend durch russische Lehrmethoden geprägt wurden. Oleg Marshev war Schüler der Gnesin-Schule für hochbegabte Kinder, wo er sein Handwerk hörbar gründlich studiert hat. Marshev hat neben vielen russischen Komponisten auch eine CD mit Werken von Anton Rubinstein eingespielt. So wird er auch von Sauer näher gekommen sein. Denn dieser schätzte seinen Lehrer aus jungen Jahren sehr. Noch enger war von Sauers Bindung mit dessen früh verstorbenen Bruder Nicholas Rubinstein, mit dem er gemeinsam in Russland studierte und von dem er behauptete, er sei sein wichtigster musikalischer Einfluss gewesen.

Die CD ist zweigeteilt, sieben leichtfüßige Salonstücken werden der komplexeren viersätzigen Sonata no. 1 vorangestellt. Der Propos de Bal von 1897 mit seinem spanisch anmutenden Thema, das in sämtlichen Variationen im Stück immer wieder auftaucht und dem ganzen eine scherzhafte, hitzige niemals langweilige Atmosphäre gibt – genau das also, was man sich unter Flirten vorstellt – ist ein Repeat-Knopf-Werk; wenn nicht die Konzert-Polka(1924) darauf folgen würde. Denn an dieser temperamentvollen Komposition mit ihren wunderschönen Melodien und der großen Zahl an interessanten harmonischen Einfällen sowie der exakten Menge an Melanchonie kann man sich ebenfalls nicht satthören. Das leichte, elegante und präzise Spiel Marshevs tut sein übriges zum Hörerlebnis. Nicht zu vergessen ist die frische, humorvolle und etwas vorlaute Komposition Quand vient l’été (1911). Auch hier wird das vielschichtige, humorvolle und feine Wesen von Sauers hörbar.

Nachdem von Sauer schon zwei Konzerte veröffentlicht hatte, komponierte er 1903 die Sonata no. 1 in D-Dur. Es beweist, dass sein kompositorisches Talent durchaus auch zu mehr in der Lage war, als Salonstücke zu schreiben. Dennoch kommt sein bemerkenswertes Temperament nur im zweiten Satz Molto vivace vollkommen zum Ausdruck. Die anderen Sätze sind etwas verhaltener – positiv ausgedrückt: reifer – dennoch voll interessanter und gewagter Harmonien.

Dem Pianisten Oleg Marshev muss man zweimal danken: Zum einen, weil er das Werk Emil von Sauers einer größeren Öffentlichkeit bekannt macht. Zum anderen, weil er 1 Stunde, 7 Minuten und 39 Sekunden das gleiche hohe musikalische Niveau aufrecht erhält.

Interpretation: 
Klangqualität: 
Repertoirewert: 

Elena Schwenzel