NRZ Ruhr Festival

NRZ
August 09, 2003

Virtuos, poetisch, elegant – Oleg Marshev begeisterte in der Folkwang Hochschule beim Klavier-Festival (NRZ)

Pianisten, die hohe Virtuositat mit sensibler Poesie verbinden, gibt es nicht viele. Oleg Matshev gehort dazu.

Klassikfans hatten jetzt das Gluck, ihn in der Neuen Aula der Folkwang Hochschule im Rahmen des Klavier-Festivals zu horen. Er ist nicht nur eir Meisterder schwierigen Paradestucke der Salonlowen des 19. Jahrhunderts, er interpretiert auch weniger eingangige Stucke, etwa von Prokofieff, die changierende Farbigkeit, radikale Technik, dissonante Harmonien und dustere Stimmungen aufweisen. Und er prasentiert Werke vergessener Hexenmeister wie Pavel Pabst und Emil von Sauer.

Der 1961 in Baku geborene Russe, der unter anderem am Moskauer Konservatorium ausgebildet wurde, macht alles ein bisschen anders als die anderen. Sein Abend begann mitder kraftezehrenden “Dante”-Fantasie von Liszt, bei der man bereits nach den ersten markanten Akkorden den Klangbaumeister erkannte, den Tonbildhauer, der sein Material mit Bedacht formt und der dramaturgischen Gestaltung alles unterordnet. Seine fulminante Technik jedoch tritt ganz zuruck vor der gestalterischen Expressivitat, mit der er die Musikstucke aufschlusselt. Techniche Perfektion hat er sich auf die Fahne geschrieben. Unspielbares gibt es nicht.

Die “Ricordanza”-Variationen von Carl Czerny, dessen Fingerubungen der Hausmusiktreibende als lastige Hausaufgaben kennt, prasentierte er als singende, perlende, fast tonmalerische Musik. “Echte” Tonmalerei, also solche, die bereits im Titel erkenntlich ist, war dann von Emil von Sauer als “Sauseln des Windes” und “Spieluhr” zu erleben: Ein Glasperlenspiel, ein durchsichtiges zartes Geklimpere. Oleg Marshev hat die Klavierwerke dieses Komponisten wiederentdeckt – wunderbar.

Ein Werk von Pavel Pabst, die “Dornroschen”-Paraphrase, prasentierte er als donnerndes Bravourstuck.

Mit Prokofieffs “Visions fugitives” aber sprach der Dichter: Ganz versunken war er in diese Miniaturen, die so eigenwillig mit Zeit, den Rhythmen, den Harmonien umgehen. Mit Eleganz ging er uber deren technische Vertracktheiten hinweg. Toll, wie er das Stuck “Feroce” brachte, toll das “Presto agitatissimo…”. Die Kriegssonate Nr. 6 von Prokofieff war die Kronung des Abends. Ihre Radikalitat, ihre fast impressionistische Farbigkeit, konnte sich entfalten. Das Publikum war begeistert, mehrere Zugaben Waren die Folge.

Dagmar Schenk-Gullich